Keine Diskriminierung per Karte! Die Bezahlkarte für Geflüchtete ist ein weiterer Schritt der Gängelung und der Integrationsverhinderung

Die Bezahlkarte für Geflüchtete ist ein weiterer Schritt der Gängelung und der Integrationsverhinderung

Der Bundestag hat am 12. April gesetzlichen Grundlagen zur Einführung der Bezahlkarte für die Auszahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beschlossen. Im Januar hatten 14 der 16 Bundesländer, darunter auch Bremen, eine Ausschreibung für einen Dienstleister für die Umsetzung der Bezahlkarte gestartet. Die Initiative geht auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz aus dem November 2023 zurück. Die Gesetzesänderungen schaffen Rechtsgrundlagen für die Länder, um Sozialleistungen für Geflüchtete bis zu 36 Monate lang per Bezahlkarte auszuzahlen (statt Bargeldauszahlung oder später Überweisung auf ein Bankkonto), die Maximalsumme von Bargeldabhebung sowie die Gebiete für den Einsatz zu beschränken. Je nach Entscheidung vor Ort können Auszahlungen oder Geltungsbereiche für den Einsatz der Bezahlkarte gesperrt oder limitiert werden. Die Bundesländer können individuell festlegen, welche Module der Bezahlkarte aktiviert werden sollen.

Die Befürworter der Bezahlkarte argumentieren mit Bürokratieabbau, weil Kommunen die Geldausgabe damit auch für Geflüchtete ohne Konto digital abwickeln können. Vor allem aber geht es darum, Geflüchtete bei der Verwendung des ohnehin niedrigen Barbetrages einzuschränken. Dadurch soll der Aufenthalt in Deutschland für Geflüchtete unattraktiver gemacht werden. Insbesondere Überweisungen, namentlich ins Ausland, sollen verhindert werden.

Mit der geänderten Rechtslage und der Ausschreibung der Bundesländer stellt sich die Frage, ob die Bezahlkarte in Bremen eingeführt wird. Wir halten es für sinnvoll, den Aufwand für Verwaltungen und für Leistungsempfänger*innen zu reduzieren. Dafür braucht es aber keine Bezahlkarte. Die Bezahlkarte ist in dieser Form ein Mittel zur Gängelung von Geflüchteten und widerspricht den Geboten von Nicht-Diskriminierung, Selbstbestimmung, Integration und Teilhabe. Wir sprechen uns gegen die Einführung der Bezahlkarte in Bremen aus und halten die Schaffung der Rechtsgrundlage für die Bezahlkarte auf Bundesebene in dieser Form für falsch. Stattdessen fordern wir eine diskriminierungsfreie Karte ähnlich dem Modell der „Social Card“ aus Hannover.

Die Bezahlkarte diskriminiert

Wir kritisieren die diskriminierende Orientierung der Bezahlkarte in aller Deutlichkeit. Die Teilhabe- und Integrationschancen von Geflüchteten werden durch die Einschränkungen der Bezahlkarte verschlechtert. Auch wenn jedes Bundesland individuell entscheiden kann, ob und welche Einschränkungen damit verbunden werden, wird mit der Einführung eines solchen Systems die Grundlage geschaffen, Verschlechterungen jederzeit auf dem Verwaltungsweg einführen zu können. Die potentielle Ausweitung auf alle Personen, die Leistungen nach AsylBLG beziehen, bedeutet, dass auch Personen, die schon ein reguläres Konto bei einer Bank eröffnen und so Leistungen erhalten können, diese absolut unnötigerweise über die Bezahlkarte erhalten müssten. Einschränkungen in Bezug auf die Höhe von Bargeldabhebungen, die Orte oder Branchen und Gewerbe, für die die Bezahlkarte „freigeschaltet“ wird, beschränken je nach lokaler Umsetzung die (ohnehin bescheidene) Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Leistungsbeziehenden. Nicht zuletzt steht im Raum, inwiefern die Bezahlkarte als Instrument genutzt werden könnte, um Geflüchtete und ihre Alltagsausgaben zu überwachen. Des Weiteren könnte der Personenkreis, der als Leistungserbringung eine Bezahlkarte bekommt, künftig durch weitere Gesetze ausgeweitet werden. Auch für Bürgergeld-Empfänger*innen wurde dies aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion heraus bereits gefordert.  

Die Bezahlkarte ist ein aktionistisches Symbol

Die Bezahlkarte bzw. die in ihr angelegten Möglichkeiten zur Beschränkung der Nutzung werden vielfach damit begründet, dass zu viele Geflüchtete nach Deutschland kämen und diese durch das Sozialleistungssystem nach Deutschland migrieren würden. Die beständige Problematisierung von Migration und Flucht ist ein Ergebnis der Diskursverschiebung nach rechts. In den vergangenen Monaten und Jahren wurden in den politischen Debatten von rechts in allen Problembereichen – sei es die mangelnde gesundheitliche Versorgung, schlechte Ergebnisse bei Bildungsstudien, die prekäre Lage von Kommunen oder der vermeintlich bröckelnde gesellschaftliche Zusammenhalt – immer wieder Geflüchtete zu Sündenböcken und Ursachen für vielfältige Problemlagen gemacht. Dabei ist vollkommen klar, dass in allen Bereichen politisches Missmanagement über Jahrzehnte und strukturelle Ursachen jenseits von einzelnen Bevölkerungsgruppen für die jeweiligen Problemlagen sorgen. Außerdem ist vollkommen klar, dass nicht einmal das von den Befürworter*innen gesteckte Ziel der Abschreckung von Geflüchteten – ein Ziel, welches wir ablehnen – durch die Bezahlkarte erreicht werden kann. Dabei wird immer wieder Bezug genommen auf die Verhinderung von vermeintlichen Rücküberweisungen ins Ausland an die Familie oder an Schlepper. Geflüchtete erhalten nicht einmal das Existenzminimum des Bürgergeld-Satzes. Solange sie in Erstaufnahmeunterkünften leben, bekommen sie gerade einmal 162 Euro als „Taschengeld“. Damit sind die eigenen Ausgaben kaum zu decken, signifikante Überweisungen ins Ausland überhaupt nicht möglich. Derartige Ideen folgen der schikanösen Stoßrichtung, es Geflüchteten so unbequem wie möglich zu machen, damit sie nicht herkommen oder möglichst schnell wieder gehen. Die Vorstellung, dass Menschen wegen Sachleistungen oder einer Bezahlkarte nicht mehr hierher flüchten, ist allerdings abwegig und widerlegt. Die Migrationsforschung sagt sehr deutlich aus, dass die Theorie der Pull-Faktoren eindimensional und überholt ist. Daher ist und bleibt die Bezahlkarte mit all ihren diskriminierenden Elementen ein rassistisches Symbol, mit dem die Bundesregierung und die Treiber*innen dieser Debatte aus Reihen der Union mit Härte gegen Geflüchtete Handeln gegen gesellschaftliche Missstände vortäuschen, anstatt realen Probleme mit realen Lösungen zu begegnen.

Damit wiederholt sich der Vorgang der 1990er Jahre, als auf die rechten Pogrome und die Welle rassistischer Gewalt ebenfalls mit Verschärfung des Asylrechts geantwortet wurde (Residenzpflicht, Isolierung in Massenunterkünften, Leistungen über Gutscheine und Sachleistungen und weitere Abschreckungsinstrumente). Diese immer neue Spirale, rassistischer Mobilisierung nachzugeben, lehnen wir ab.

Bürokratieabbau geht auch ohne Diskriminierung!

Wir sehen den Handlungsbedarf für die Reduzierung von bürokratischem Aufwand. Sowohl für die Verwaltung als auch für Leistungsempfänger*innen ist es ein unnötiger Aufwand, jeden Monat zentral Bargeld auszugeben und das Budget für den gesamten Monat in bar mit sich herumzutragen. In Bremen müssen etwa die Bewohner*innen der Landeserstaufnahmestelle in Vegesack aktuell ihr Bargeld monatlich an einer Ausgabestelle in Bremen-Mitte abholen. Eine tatsächliche Lösung für das Problem der Bargeldauszahlungen, welche für alle Beteiligten aufwändig, bürokratisch und technisch völlig veraltet sind, wäre es, die Banken zu verpflichten, ein günstiges Basiskonto anzubieten. Solange noch kein Konto eröffnet wurde, lassen sich unbare Leistungsauszahlungen aber auch diskriminierungsfrei gestalten. Das Beispiel der „SocialCard“ aus Hannover zeigt, dass Bezahlkarte auch ohne Diskriminierung geht. Dort erhalten Leistungsempfänger*innen ohne eigenes Bankkonto eine Debit-Karte, die sie ohne jegliche Einschränkungen verwenden können. Die Kommune Hannover hat die SocialCard bereits im vergangenen Dezember eingeführt und ist dabei unabhängig vom Vergabeverfahren der Bundesländer, da sie mit einem eigenen Dienstleister arbeitet. Wir befürworten das Modell der SocialCard und fordern die Einführung eines vergleichbaren Modells anstatt der bisher anvisierten Bezahlkarte der Bundesländer. Eine solche Lösung könnte auch zügiger eingeführt und Verwaltungsaufwand schneller reduziert werde